Die Hohlwelttheorie

Johannes Lang: Das neue Weltbild (1930)Eigentlich wollen wir ja alle in den Mutterbauch zurück. Und so ist es kein Wunder, dass auch heute noch eine Theorie ihre Anhänger findet, die bereits im Jahre 1870 erstmals vom Homöopathen Cyrus Reed Teed formuliert und 1930 in „Das neue Weltbild“ von Johannes Lang verfeinert wurde: Danach leben wir auf der Innenseite einer Hohlkugel, und innerhalb dieser Hohlkugel befinden sich dementsprechend auch Sonne, Mond und Sterne - das ganze Universum eben. Insofern folgt dieses Modell, wenn auch in paradoxer Verdrehung, einem geozentrischen und letztlich religiös motivierten Ansatz: Gott thront in der Mitte des Weltalls, die Erde bildet seinen Fußschemel. [Um schnell ein wenig Begriffsverwirrung zu klären: Oft werden unter „Hohlwelttheorie“ zwei unterschiedliche Theorien subsumiert, die andere besagt, dass es innerhalb der Erde eine zusätzliche Parallelwelt gibt. Im Deutschland der 30er Jahre vertrat besonders die okkultistische Vril-Gesellschaft dieses Denkmodell, die besonders unter Nazi-Anhängern großen Zulauf hatte. Von dieser Theorie soll hier aber nicht weiter die Rede sein.]

Das ganze Universum soll also in einer Kugel Platz haben, die gerade mal einen Durchmesser von 12.000 km hat? Wer dies direkt und voreilig als Quatsch abtut, muss sich von einem Hohlweltler erst einmal belehren lassen, dass man der irrigen Annahme aufsitzt, der Raum sei homogen und isotrop, weise also in jeder Entfernung und Richtung dieselben Eigenschaften auf.

Nicht so die Hohlweltler. Denn die sind keineswegs von gestern und bestreiten - im Gegensatz zu diversen Verschwörungstheoretikern - beispielsweise keineswegs, dass die Menschen bereits auf dem Mond gelandet sind. Dass der Mond 384.000 Kilometer von der Erde entfernt ist, muss kein Widerspruch sein, sondern - keine gescheite Theorie ohne Axiome! - führt uns direkt zum ersten Axiom der Hohlwelttheorie:

Axiom 1: Im Hohlweltmodell verkürzen sich die Längen umso mehr, je näher ein Körper dem Mittelpunkt der Hohlkugel kommt. Im Mittelpunkt selbst wäre jede Länge auf Null geschrumpft.

Also spricht nichts dagegen, dass die Mondlandung tatsächlich stattgefunden hat, denn dieses Axiom lässt die Distanz Erdoberfläche zu Mond auf etwa 6.270 km schrumpfen, der Mond befände sich dann gerade mal 100 km vom Mittelpunkt der Hohlerde entfernt. Konsequent zu Ende gedacht eine richtig niedliche Vorstellung, denn der Mond selbst wäre entsprechend nur noch ein Kügelchen von ca. 1 km Durchmesser, und die Astronauten hätten auf ihm eine Körpergröße von wenigen Millimetern. Ein zum Glück reversibler Vorgang, sonst hätte man die Apollokapseln nach ihrer Rückkehr lange suchen müssen. Aber warum waren Armstrong & Co. dann so lange unterwegs? Dies erklärt sich, man ahnt es schon, aus dem Axiom 2:

Axiom 2: Die Lichtgeschwindigkeit wird im Hohlweltmodell umso kleiner, je näher das Licht dem Mittelpunkt der Hohlwelt kommt. Im Mittelpunkt selbst wäre die Lichtgeschwindigkeit c = 0 m/s.

Man darf sich also den Mittelpunkt der Hohlwelt durchaus als eine Art schwarzes Loch vorstellen, welches Distanzen und Geschwindigkeiten verschluckt. Um es mal ganz vereinfacht zu sagen.

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Alles eine Frage der Anschauung: Modell der Hohlwelt

Denn das ist das Faszinierende an der Hohlwelttheorie, dass man einen seiner Vertreter praktisch alles fragen kann, es gibt auf alles eine Antwort. Bei fast keiner anderen Theorie trifft das geflügelte Wort „Der Wahnsinn hat Methode“ so sehr zu wie hier. Nehmen wir nur das Phänomen, dass wir von einem Segelschiff, welches am Horizont auftaucht, zunächst den Mast mit den Segeln sehen und dann erst das ganze Schiff. Wie ist dies mit einer konkav, also nach innen gekrümmten Erdoberfläche vereinbar? Nun, dafür lassen wir ein drittes Axiom aufmarschieren, und das war es auch schon, denn diese drei Axiome reichen, um sämtliche Phänomene innerhalb der Hohlwelttheorie zu erklären:

Axiom 3: Licht, das genau auf den Mittelpunkt der Hohlwelt zusteuert, breitet sich geradlinig im herkömmlichen Sinne aus. In jedem anderen Fall bewegt es sich auf einer Kreisbahn, die durch den Mittelpunkt der Hohlwelt führt.

Dadurch ist die Wahrnehmung des am Horizont „auftauchenden“ Schiffs erklärt: Durch die Lichtbahn stimmt die Horizonterscheinung ziemlich genau mit dem überein, was wir sehen würden, wenn wir uns auf der Außenseite einer Kugel befänden.

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Auch in der Hohlwelttheorie ist alles wie immer: Wir sehen, dass wir nichts sehen.

Und so geht es immer weiter bei den Hohlweltlern, die Kombination der drei Axiome ergibt eine Art physikalische und philosophische Wunderwaffe, mit der alle Phänomene erklärt werden können. Und entspricht nicht auch ein 1 km großer Mond viel besser dem nächtlichen Eindruck am Sternenhimmel? Sollen wir also an die Hohlwelttheorie glauben? Natürlich nicht. Zwar lassen sich alle Naturgesetze unserer Welt der Vollerde umrechnen in Naturgesetze, die in der Hohlwelt gelten, doch diese sind ungleich komplizierter.

Wir ziehen daher die Vollerde der Hohlwelt aus Gründen der Denkökonomie vor. Beweisen können wir nichts.

Zusammengefasst unter anderem aus:
http://www.langw.de
http://www.weltbildfrage.de/geschichte.html