Metro

MetroUnd wieder ein Album aus der Reihe „Kultalben der 70er“. Wobei hier mit Kultalben nicht die Massenware von einst gemeint ist, die einem heute unter diesem Etikett allerorten angedreht wird, sondern rare Pretiosen, die schon damals nicht die verdiente Aufmerksamkeit bekamen. Metro ist ein typisches Beispiel dafür. Zwei auf Regie-Stühlen sitzende Dandys setzten sich mit diesem frankophilen Band- und Albumnamen 1976 zwischen alle Stühle, kontinentale Eleganz in einer androgynen Zeit, und produzierten ein Album, welches zeitlos und bestechend schön wie ein Monolith aus der Popgeschichte hervorragt.

Duncan Browne und Peter GodwinIn diesem Jahr 1976 lief Metro-Mitbegründer Peter Godwin mit einem Notizblock in London herum, in dem potenzielle Namen für seine Band notiert waren, ironischerweise auch einige, mit denen Jahre später andere sehr viel bekannter werden sollten: The Police, Wham, The Clash. Man entschied sich für „Metro“ aufgrund des weiten Assoziationsfeldes: europäisch, urban, trashig – man mag es sich vorstellen als die Seventies-Variante der durchgestylten New-Wave-Kunstwelt, die Luc Besson fast zehn Jahre später in seinem Subwayneues Fenster-Film erschaffen sollte. Tatsächlich sind einige der schönsten Liebessongs des Albums in Paris entstanden, und zwar bereits um 1974, etwa das sehr autobiographische „Flame“. Zu Hause war die Band aber mehr in Londons W11-Bohemia, einer glamourösen Post-Hippie-Welt androgyner Models und Fotografen. Hier wohnte der zweite Mastermind Duncan Browneneues Fenster in einem Loft, welches man sich als braun-orangefarbene Hommage an die 70er vorstellen darf, mit Topfpflanzen und großen vergoldeten Spiegeln. Und während sich irgendwo in West London Joe Strummer und John Lydon (alias Johnny Rotten, Sex Pistols) anschickten, dem Punk zum Durchbruch zu verhelfen, arbeiteten Metro mit cooler Nonchalance und gleichzeitig absoluter Perfektion an ihrem Sound, welcher der rüden Drei-Akkorde-Front sehr sophisticated Style, Glamour und Romantik entgegensetzte.

Die absolute Vielseitigkeit von Metro macht es schwierig, ihre Musik irgendwo stilistisch festzunageln. Unverkennbar der Einfluss von Roxy Music, David Bowie und auch Steve Harley’s Cockney Rebel, doch Metro brachten mit massivem Einsatz von 12-String-Gitarren auch eigene Elemente ins Geschehen, die schlichtweg auf eine vorzügliche musikalische Ausbildung schließen ließen. Dies alles mit Lyrics, deutlich beeinflusst von Hip-Poeten wie Burroughs, Rimbaud und Jean Genet. Die spiegelglatte Produktion hievt die teils herrlich überzuckerten Songs in die Sphären des leichten, aber nie seichten Musikgenusses.

Duncan Browne
Cover-Artwork: Duncan Browne in relaxter Pose.

Dabei mag man darüber spekulieren, ob der phänomenal cool zurückgenommene, manchmal fast nur wispernde und gleichzeitig so zerbrechliche Gesang von Duncan Browne etwa in „One-Way Night“ damit zusammenhängt, dass er zum Zeitpunkt der Aufnahme durch ein gebrochenes Bein und mehrere gebrochene Rippen gehandikapt war, da er wenige Tage zuvor seinen Porsche um einen Baum gewickelt hatte. In seinen Erinnerungen vergleicht Gitarrist Sean Lyons das Aufnahmestudio ohnehin eher mit einer Krankenhausstation, mit einem vergrippten Produzenten (Peter Sames), der seine Anweisungen, die Scotch-Flasche fest im Griff, aus dem Bett gab, während die Frau von Violinist Graham Preskett sich während seines atemberaubenden Solos auf „Black Lace Shoulder“ anschickte, ein Kind auf die Welt zu bringen.

Will man überhaupt einen der Songs des Albums hervorheben, dann sicher „Criminal World“, welches erst Jahre später über die eher uninspirierte Cover-Version von David Bowie (1983 auf „Let’s Dance“) eine gewisse Bekanntheit erlangte (und den Bandmitgliedern einen warmen Tantiemen-Regen brachte). Als eher unnötiger Bonus ist der Titel auf der CD-Version auch gleich zweimal, zuletzt noch einmal in der rund 2 Minuten kürzeren Single-Version, vertreten. Aber auch „Mono Messiah“, „Flame“ oder „Paris“ hätten gute Hit-Singles abgegeben, zumal „Criminal World“ damals auch recht schnell auf dem Index landete (wegen der Zeile „She’ll show you where to shoot your gun“). Doch das Album lebt ohnehin mehr vom Ensemble der Songs, von der daraus entstehenden Grundstimmung, dem weit reichenden Spannungsbogen, der eruptive Chorus- und Glam-Eskapaden kongenial mit schmuseweichen Lovesongs verbindet und auch längeren Instrumentalpassagen ihren Raum lässt.

Metro - sowohl die Band als auch das Album - ist ein gutes Beispiel dafür, wie in der Popgeschichte zufällige Begegnungen zu großen, magischen Momenten führen können. Leider verließ Duncan Browne die Band bereits 1978, machte aber noch zwei sehr schöne Soloalben („Wild Places“ und „Streets of Fire“). Er verstarb 1993 tragisch an Krebs. Der Rest der Band machte mit einem neuen, 5-köpfigen Line-up noch zwei weitere, bislang nicht auf CD erhältliche Alben für EMI, guter Pop, aber nicht annähernd an die Vollkommenheit des Erstlings anknüpfend. Das Faszinierende an diesem stilprägenden Album: Es klingt auch heute noch absolut frisch und zeitlos, ein Klassiker ohne jede Alterungserscheinung.

Metro: (untitled)
CD, 1976 (CD-Reissue 2000), Transatlantic / Castle Music