Obgleich die britische Filmproduktionsfirma Hammer schon 1934 durch William Hinds gegründet wurde, einem Komiker, der sich das Pseudonym William Hammer zugelegt hatte, denken wir beim Namen Hammer – zumeist mit verklärten Gefühlen – vor allem an die große Glanzzeit der Studios in den 50er und 60er Jahren. Mit begnadeten Regisseuren wie Terence Fisher, Freddie Francis oder Roy Ward Baker und legendären Schauspielern wie Christopher Lee oder Peter Cushing ließ Hammer die „Universal“-Monsterfilme der 30er Jahre in prächtigen Technicolor-Farben wieder aufleben. Noch heute assoziiert jedermann beim Namen Dracula sofort Christopher Lee in „The Horror of Dracula“ von 1957 und den Nachfolgefilmen, kaum jemand denkt zuerst an Bela Lugosi, der den berühmten Blutgrafen 1931 in „Dracula“ mimte. Und der Name Frankenstein ist seit 1957 untrennbar mit Peter Cushing verknüpft, der dem Hammer-Œuvre mit seiner Interpretation des Lebensschöpfers sicher einen der interessantesten und komplexesten Charaktere bescherte.
„Dracula“ und „Frankensteins Fluch“ bedeuteten für Hammer die Initialzündung; den beiden Filmen folgten nicht nur unzählige Fortsetzungen bis hin zum obskuren „Dracula jagt Mini-Mädchen“ von 1971, sondern etliche weitere Neuinterpretationen klassischer Monster- und Horrorstoffe: Die Mumie, der Wolfsmensch oder auch Dr. Jekyll und Mr. Hyde erlebten bei Hammer einen zweiten Frühling. Daneben feierte das Studio auch in artverwandten Genres wie Science Fiction oder Fantasy Erfolge: unvergessen etwa Raquel Welch im steinzeitlichen Bikini in „Eine Million Jahre vor unserer Zeit“. Und auch Romanfiguren wie Sherlock Holmes oder Robin Hood brachte Hammer neu auf die Leinwand.
Durch unzählige, teils enorm liebevoll aufgemachte DVD-Veröffentlichungen ist das Interesse an Hammer in den letzten Jahren neu angefacht worden, und so wurde es in den einschlägigen Foren dankbar begrüßt, dass mit „The Hammer Chronicles“ von Peter Osteried nun ein opulentes Filmbuch vorliegt, das das Zeug dazu hat, zur Bibel aller Hammer-Fans zu werden. Osteried ist Filmkennern kein Unbekannter, so veröffentlichte er bereits die liebevoll gestalteten, leider mittlerweile vergriffenen „Horror Chronicles“ und bewies darin Sachkompetenz und flotte Schreibe. Sein Buch zu Hammer ist mit 49,95 EUR leider nicht gerade ein Sonderangebot, doch hält man es erst einmal in Händen und blättert es durch, bereut man keinen Cent der Ausgabe.
Lockeres Layout im Pergament-Outfit: „The Hammer Chronicles“.
Auffallend ist zunächst das abwechslungsreiche und lockere Layout des Werkes, das den Leser mit einer Unmenge an Illustrationen erfreut und damit sofort zum planlosen Blättern einlädt. Dem Sujet entsprechend, hat man sich für eine originelle Seitengestaltung entschieden, bei der sich die einzelnen Seiten in der Optik verblichener und poröser Pergamentblätter von einem schwarzen Hintergrund abheben. Gleichzeitig durfte sich die Grafikabteilung voll austoben, keine Doppelseite gleicht einer zweiten, eine stets neue Anordnung von Text und Bildern sorgt für Abwechslung. Zu Bildern aus den Filmen gesellen sich alte Aushangfotos und Filmplakate, wobei erkennbar Wert darauf gelegt wurde, auch weniger bekanntes Material präsentieren zu können. Der Haupttext ist immer wieder durchsetzt mit Textkästen, die Kurzbiografien nicht nur zu den Schauspielern, sondern auch zu den Autoren der Vorlagen enthalten.
Beim strukturellen Aufbau hat sich Osterried bewusst gegen ein strikt chronologisches Vorgehen entschieden, sondern setzt stattdessen auf Themenschwerpunkte. Nach einer Abhandlung über die frühen Jahre des Studios folgen Kapitel über die Macher Anthony Hinds und Michael Carreras, über die bedeutendsten Stars Peter Cushing und Christopher Lee, über die wichtigsten Regisseure Terence Fisher, Don Sharp, Val Guest und Freddie Francis sowie über Drehbuchautor Jimmy Sangster und Filmmusikkomponist James Bernard. Schön dabei die Idee, dem „heimlichen Star“ Michael Ripper, der zwar nie eine Hauptrolle spielte, aber mit etlichen Nebenrollen viel zum Kolorit der Filme beitrug, eine eigene Doppelseite zu widmen.
Das Durchblättern ist eine wahre Augenfreude.
Nachfolgend ist das Buch nach Genres und Themenbereichen strukturiert, wobei die bekannten Horrorfilme verdientermaßen im Vordergrund stehen, aber auch eher vergessene Werke des Studios ihre Würdigung erfahren. So mag das Kapitel „Lachen mit Hammer“ für manche überraschend sein: Ja, die Hammer Studios haben auch Komödien produziert. Den Abschluss bildet ein Kapitel zu den Fernsehserien wie „Hammer House of Horror“, dem Schwanengesang des Studios, sowie eine interessante Aufzählung nie realisierter Projekte. Zum schnellen Nachschlagen gibt es noch eine komplette Filmographie, eine DVD-Liste und selbstverständlich einen Index.
Mit „The Hammer Chronicles“ ist Peter Osteried ein Filmbuch ersten Ranges gelungen. Seine unaufdringliche Erzählweise, bei der er chronologische Abläufe immer wieder mit einzelnen, herausstechenden Anekdoten würzt, macht das Buch zu einer hochinteressanten Lektüre. Hammer-Fans muss man den Kauf vermutlich nicht nahelegen, doch auch allgemein Filminteressierte werden ihren Spaß an dem Buch haben, dem man die Liebe des Autors zu seinem Sujet auf jeder Seite anmerkt.
Peter Osteried: The Hammer Chronicles. gebundene Ausgabe, 304 Seiten, sehr viele Bilder.