Von der Schönheit der Autobahnkreuze

kamener_kreuz.jpgSo aus der Luft betrachtet, kommt man nicht umhin, nicht nur die technische Raffinesse, sondern auch die ästhetische Schönheit von dem zu bewundern, was der Ingenieur „planfreien Knotenpunkt“ nennt, im Allgemeinen aber als Autobahnkreuz bezeichnet wird. Die Kreuzform ergibt sich aus dem Umstand, dass sich zwei Autobahnen mehr oder minder rechtwinklig begegnen. Wie diese Begegnung technisch genau abgewickelt wird, dafür gab und gibt es recht unterschiedliche Ansätze. Wer aber hat das Autobahnkreuz erfunden? Lange Zeit wurde diese verkehrstechnische Pioniertat dem Schweizer Schlosserlehrling Willy Sarbach zugeschrieben.


Sarbach hatte an einem Wettbewerb teilgenommen, den der „Verein zur Vorbereitung der Autostraße Hamburg (nach dem alsbaldigen Hinzutreten der Städte Bremen und Lübeck Hansestädte) – Frankfurt – Basel“, kurz auch HAFRABA e.V. genannt, anlässlich der Automobilausstellung 1927 in Basel ausgeschrieben hatte, und seine geniale Idee der Kleeblatt-Kreuzung präsentiert, die mit nur einem Brückenbauwerk begegnungsfreien Verkehr in alle Richtungen ermöglicht. Prominentes heutiges Beispiel ist das Kamener Kreuz (siehe Eingangsfoto), das dieses Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, allerdings im Zuge eines Umbaus bis 2008 einen der vier Kreisel gegen eine Tangente eintauschen wird.

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Alternativentwurf für das Frankfurter Kreuz (Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden 1935).

Tatsächlich gab es aber schon lange vor Willy Sarbach ein Patent auf eine Kleeblatt-Kreuzung. Es wurde am 29. Februar 1916 vom Bauingenieur Arthur Hale aus Maryland unter der Nummer 1.173.505 beim US-Patentamt angemeldet . Das Prinzip der Kleeblatt-Kreuzung hat sich hierzulande als bester Kompromiss hinsichtlich Zweckmäßigkeit, Platzbedarf und Kostenaufwand durchgesetzt, auch wenn beispielsweise beim Frankfurter Kreuz die Stadt Frankfurt lange Zeit ein reichlich barock wirkendes Modell der „doppelten Trompete“ (siehe Abbildung) favorisierte, bei dem es sich strenggenommen allerdings nicht um ein Autobahnkreuz, sondern um zwei Autobahndreiecke mit dazwischengesetzter Verbindungsstrecke – in die dann noch die Flughafenabfahrt integriert worden wäre – gehandelt hätte. Das Kleeblatt bietet auch den Vorteil, dass man in ihm wenden kann; und hat man die erste Ausfahrt nach rechts verpasst, kann man das wiedergutmachen, indem man drei Schleifen durchfährt und sich dann in der Richtung befindet, in die man eigentlich wollte. By the way, man kann auch alle vier Schleifen durchfahren und dann die Fahrt in der gleichen Richtung, in der man sich vor dem Kreuz befand, fortsetzen, aber lassen wir das.

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Malteserkreuz bei Den Haag (Google Earth).

So schön das Kleeblatt mit seinen vier Kreiseln auch ist, aus ästhetischer Sicht wird es sicher vom Malteserkreuz getoppt, das auch verkehrstechnisch Vorzüge bietet: Die Kurvenradien sind weniger eng und Richtungswechsel können so zügiger vorgenommen werden, außerdem begegnen sich einfahrender und ausfahrender Verkehr nicht so dicht. Das Kreuz hat seinen Namen, ein Blick macht es deutlich, von seiner Form: Die insgesamt vier Tangenten für den richtungswechselnden Verkehr bilden das bekannte Symbol der Malteser. Gravierender Nachteil der Bauweise: Es sind insgesamt vier Ebenen notwendig, was aufwendige Brückenbauwerke erfordert. In der Praxis ist das Malteserkreuz daher selten in seiner puren Form anzutreffen, sondern im Mix mit der Kleeblattbauweise wie etwa das Autobahnkreuz Köln-Ost (Google Earth), bei dem der Richtungswechsel von Frankfurt kommend nach Köln-Innenstadt als Kleeblattkreisel gebaut ist, alle anderen Richtungswechsel aber in Maltesertangenten durchfahren werden.

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„Turbine“ westlich von London (Google Earth).

Eine wiederum andere, besonders interessante Form ist die Turbine, welche man vor allem in England, aber auch in Belgien antrifft. Wie ein Strudel wirkt so eine Kreuzung, die von den Engländern auch „Whirlpool“ genannt wird, aus der Luft, die langgezogenen, versetzt angeordneten Kurven machen diese Form des Autobahnkreuzes besonders elegant. Schließlich gibt es noch den Kreisverkehr, es erstaunt einen nicht, dass auch diese Form besonders in England sehr beliebt ist, ein schönes Beispiel findet sich bei Manchester (Google Earth). Wie beim Kleeblatt kann man hier in jede beliebige Richtung abbiegen, also auch wenden – oder für immer im Kreis verharren.

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Autobahnkreuz bei Breitscheid.

Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch die Windmühle erwähnt, die in ihrer Reinform kaum zu finden ist, sondern die eher mit anderen Formen wie dem Kleeblatt kombiniert wird wie etwa bei dem Autobahnkreuz Breitscheid in der Nähe von Düsseldorf. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, noch sämtliche Sonder- und Mischformen aufzuführen – stattdessen sei hier verwiesen auf den sehr guten Wikipedia-Eintrag zu diesem Thema.

giffin_termeer.jpgVon der Schönheit der Autobahnkreuze, die sich allerdings erst aus der Luft erschließt, sind auch Künstler und Designer angetan. So hat das amerikanische Designstudio Giffin’Termeer etwa eine Reihe von Kacheln aufgelegt, die besonders verschlungene Kreuze internationaler Metropolen wie Istanbul, Prag, Las Vegas oder Tokyo auf ihre schlichte, schwarz-weiße Linienform reduzieren. Autobahnkreuze, so das Designer-Duo, haben „eine komplexe Schönheit, die gleichwertig ist zu denen der Gebäude und öffentlichen Plätze, die gemeinhin Souvenirs als Vorlage dienen“. Und der Architekturstudent Kai Kasugai überrascht mit einem Vorschlag, eine Raststätte über ein Autobahnkreuz zu legen, welche Ästhetik und Formensprache des Kreuzes in die Lüfte transzendiert.