Im Deutschland der Nachkriegsjahre waren die Ressourcen knapp, die Geldbeutel schmal und die Autos klein: Es war die Zeit der Isettas, Goggomobils und natürlich des VW Käfers. Doch jenseits der großen Hersteller gab es auch immer wieder Individualisten, die den Markt der Kleinstautos mit bizarr anmutenden Konstruktionen aufmischten.
Einer von ihnen war Egon Brütsch. Sohn einer wohlhabenden Stuttgarter Familie, die ihr Geld mit Damenstrümpfen verdiente, konnte er sich einem relativ müßigen Leben hingeben, wobei seine Leidenschaft dem Rennsport galt. Und tatsächlich konnte er in den 30er Jahren einige Erfolge verbuchen. Anfang der 50er Jahre war denn auch seine erste Kreation als Automobilkonstrukteur ein Maserati-Rennwagen im Maßstab 2:1, welcher als Kinderspielzeug für betuchte Familien gedacht war. Das Projekt floppte – nach dem Krieg hatten die Deutschen wirklich andere Sorgen als ihren Sprößlingen ein Spielzeugauto für 750 Mark unter den Weihnachtsbaum legen zu können.
Brütsch Zwerg: nicht gerade das Ei des Kolumbus.
Nächster Versuch war – nun wagte er sich an „richtige“ Autos – ein auf Sackkarrenrädern stehender und mit einem Baumsägenmotor angetriebener einsitziger Roadster, auch dieser wieder am Bedarf vorbeigedacht. Mit dem Brütsch Zwerg konzipierte er dann das erste seiner legendären Ei-Autos, zusammengeklebt aus zwei Fiberglashalbschalen und als „das leichteste Auto der Welt“ angepriesen. Man errät es schon: Kaum einer wollte es haben, obgleich es tatsächlich in Frankreich und in der Schweiz teils noch skurriler anmutende Lizenzbauten gab.
Brütsch Mopetta mit Sekretärin im Garten.
Doch Brütsch ließ sich nicht entmutigen. Nach dem leichtesten wollte er nun das kleinste Auto der Welt bauen, mit 50-ccm-Motor zudem steuer- und versicherungsfrei. Mit einer Energie, wie sie nur Besessenen zu eigen ist, schuf er buchstäblich über Nacht eine neue, noch kleinere Kunststoffkarosserie, stellte sie im Garten auf und lehnte Räder dran. Dann setzte er seine Sekretärin rein und fotografierte das Ganze. Bis zur IFMA-Ausstellung im Oktober 1956 reichte die Zeit gerade noch, die Räder zu befestigen, und tatsächlich war das Gedränge groß, denn die Brütsch Mopetta sollte gerade mal so viel wie sein erstes Spielzeugauto kosten, 750 Mark. Brütsch hatte das kleine Dreirad hoch gestellt, damit es alle bewundern konnten und niemand merkte, dass noch sämtliche mechanischen Teile fehlten.
Die Brütsch Mopetta in voller Fahrt.
Vielleicht hätte er sein Ei nicht ganz so vollmundig ankündigen sollen. In ersten Prospekten sprach er in leichter Überschätzung seiner technischen Möglichkeiten und Fähigkeiten sogar von einem „schwimmenden Moped-Auto - zu Land und zu Wasser“. Das Interesse war enorm, und die Berliner BZ bejubelte die Mopetta als „Miniatur-Motorboot“. Eiligst machte sich Brütsch nach der Ausstellung daran, seitlich ein Motörchen zu befestigen, und tatsächlich konnte das Ding am Schluss einigermaßen fahren, schwimmen hingegen nie. „Da staunt der Fachmann“, schrieb zur Fertigstellung im Mai 1957 die Zeitschrift Roller, Mobil und Kleinwagen leicht gönnerhaft, „aber immerhin ist wirklich zu bewundern, mit welcher Zähigkeit Herr Brütsch an seinen Projekten arbeitet und es ihm gelingt, trotz aller Schwierigkeiten immer wieder etwas auf die Räder zu heben.“ Angesichts der profanen Mopedtechnik versackte das Interesse schnell. Aber immerhin brachte es die Mopetta auf 14 produzierte Exemplare, so viel hatte Brütsch bis dahin noch nie von einem seiner Modelle herstellen können.
Auch der V-2-N war nicht wirklich erfolgreich.
Ein anderer hätte sicher spätestens jetzt das Handtuch geworfen. Nicht so Brütsch. Er schob der Mopetta noch eine größere Rollera für zwei Personen nach, und als auch die nur bescheidenen Erfolg hatte, machte er sich mit großem Eifer an die Konzeption eines eher sportlichen Zweisitzers, nunmehr mit vier Rädern, den er Brütsch Pfeil nannte. Den „Erfolg“ seiner Mopetta konnte er indes nicht wiederholen, nur acht Exemplare wurden gebaut. Und die Weiterentwicklung V-2 erwies sich als nicht so glücklich, was die Namensgebung anging, auch wenn Brütsch mit den Vergeltungswaffen der Nazis wenig im Sinn hatte, sondern mit dem Kürzel eigentlich einen „Volks-Zweisitzer“ meinte.
Froschiges Ende der Brütsch-Ära: der V-2-N Jet.
Der unermüdliche Brütsch modifizierte den V-2 und es entstand im Juli 1958 der V-2-N, der später zum Jet V-2-N mutierte und mit froschig nach oben und hinten verlegten Scheinwerfern nicht gerade schöner wurde. Das „N“ stand für Ngo, den Geschäftsführer der Union Industrielle in Neuilly-sur-Marne, die den Wagen ein Jahr herstellte und dann den Gang zum Konkursrichter antreten musste. Egon Brütsch kehrte im Herbst 1958 dem glücklosen Autobau den Rücken und konzentrierte sich nun auf Kunststoff-Wochenendhäuser; ob er damit Erfolg hatte, ist nicht bekannt. Er starb im Jahr 1988.