Er war Architekt, Ingenieur, Designer, Segler, Kartograph, Mathematiker, Schriftsteller, Poet und Philosoph. Er schrieb eine „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“ und widmete sein Leben der „Kunst und Wissenschaft einer allgemeinen und weit in die Zukunft greifenden Entwurfsarbeit“. Die Rede ist von Richard Buckminster Fuller (1895–1983), einem Universalgenie vom Zuschnitt eines Leonardo da Vinci, dessen Arbeiten und Entwürfe noch heute nachwirken und Architekten wie Designer inspirieren. Wegen „allgemeiner Verantwortungslosigkeit und mangelnden Fleißes“ flog er von der Harvard University, schlug sich als Monteur und Transportarbeiter durch und begann 1917 schließlich in der Marine eine Ausbildung zum Offizier, in deren Verlauf er sich mit Zeitbestimmung, Navigation, Ballistik und Logistik auseinandersetzte. Alsbald beschäftigte sich Fuller mit Fertighäusern in Leichtbauweise, die mit ihrem sechseckigen Grundriss von jeder bekannten architektonischen Tradition abwichen und schließlich in sein Konzept „Dymaxion“ mündeten, eine Wortverschmelzung aus „Dynamik“, „Maximum“ und „Ion“.
Das Dymaxion Car war in jeder Hinsicht außergewöhnlich.
Mit der zugrunde liegenden Idee des maximalen Vorteils bei minimaler Energieanwendung nahm er visionär das vorweg, was wir heute unter dem Begriff der Nachhaltigkeit subsumieren. Auch war er in seinen strikt ganzheitlichen Betrachtungsweisen ein zu Lebzeiten oft belächelter früher Wegbereiter des Synergiegedankens. Die bekanntesten Konstruktionen von Fuller sind sicher seine geodätischen Kuppeln, sphärisch anmutende Bauwerke, extrem stabil und mit geringstem Materialaufwand realisierbar, die auf einer Grundkonstruktion von Dreiecken beruhen. Weniger bekannt ist, dass Fuller auch als Automobilkonstrukteur tätig war und bereits in den frühen 1930er Jahren mit seinem Dymaxion Car ein automobiles Konzept vorstellte, das radikal mit allem brach, was zu dieser Zeit Stand der Technik und des Designs war.
Konstruktionszeichnung des Dymaxion Car.
Bei der Entwicklung des tropfenförmigen Wagens arbeitete Fuller eng mit Starling Burgess zusammen, einem damals bekannten und erfolgreichen Designer von Yachten und Flugbooten. Finanziell unterstützt wurde das Projekt von Nannie Biddle, einer berühmten Kunstfliegerin. Dass die Zusammenarbeit des Trios sehr eng gewesen sein muss, zeigt sich schon in der Tatsache, dass Starling Burgess und Nannie Biddle bald darauf heirateten; aber auch Nannie Biddles Beziehung zu „Bucky“, wie sie ihn zärtlich nannte, soll romantisch gefärbt gewesen sein. Doch zurück zum Dymaxion Car: Bereits die äußere Gestaltung war eine Kampfansage an die Karosseriezunft der damaligen Zeit, konzeptuell geht höchstens das Tropfen-Auto von Edmund Rumpler, das 12 Jahre zuvor die Fachwelt in Verblüffung und Entzücken versetzt hatte, in eine ähnliche Richtung. Der geräumige Wagen, den man auch als frühen Vorläufer des Vans betrachten kann, wog dank Aluminium-Leichtbauweise nur etwa so viel wie ein VW Käfer und konnte auf seinen drei Rädern, indem das antreibende hintere Einzelrad um 90 Grad drehbar war, auf der Stelle wenden.
Dymaxion Car aus dem Jahre 1934.
Angetrieben wurde der Wagen durch einen im Heck eingebauten 8-Zylinder-Motor von Ford, der rund 75 PS leistete und in Verbindung mit dem geringen Gewicht und der Stromlinienform eine Spitzengeschwindigkeit von 140 km/h ermöglichte. Im Verbrauch soll das Dymaxion Car mit einer Gallone Benzin 30 Meilen weit gekommen sein, dies würde einem Wert von 9,4 l auf 100 km entsprechen. In vielen Details zeigte sich die Radikalität des Fuller’schen Ansatzes: Die Sicht nach hinten wurde beispielsweise – unter Verzicht auf ein Heckfenster – mit einem Periskop ermöglicht, und ein zweiteilig schwingender Rahmen sorgte für eine konsequente Entkopplung von Antriebseinheit und Passagierzelle.
Eindrucksvoller Vergleich: Dymaxion Car mit einer Ford-Limousine.
1934 fand die mittlerweile dritte Edition des Dymaxion Car auf der Weltausstellung in Chicago große Beachtung. Die weitere Geschichte des Prototyps war jedoch tragisch: Auf Umwegen hatte die Gulf Refining Company den Wagen erworben, die den berühmten Rennfahrer Francis T. Turner für Probefahrten anheuerte. Auf einer dieser Fahrten – mit an Bord waren William Francis Forbes-Sempill und Charles Dollfuss, zwei renommierte Luftfahrtexperten, die mit dem „Graf Zeppelin“ auf der Ausstellung eingeschwebt waren – verunglückte der Wagen schwer, wobei Ursache des Unfalls offenbar nicht, wie es zuerst geheißen hatte, ein technischer Mangel der Lenkung war, sondern ein anderer Wagen. Der Fahrer kam zu Tode, die Passagiere wurden schwer verletzt. Die Presse verriss daraufhin das „Freak Car“ und potenzielle Investoren sprangen ab.
Fuller war nun in finanziellen Schwierigkeiten und musste, um seine Schulden zu begleichen, sowohl das verbliebene Dymaxion Car als auch die Produktionsanlagen verkaufen. Dies war faktisch das Ende des Projekts. Insgesamt wurden nur drei Dymaxion Cars gebaut, von denen heute noch eines erhalten ist. Es ist ausgestellt im National Automobile Museum in St. Reno, Nevada. Fuller, der „Fool on the Hill“ (Kulturtussi), wandte sich anderen Projekten zu. Jedoch ließ er es sich an seinem 85. Geburtstag 1981 nicht nehmen, nochmals mit dem Dymaxion Car und seinem „26′ Fly’s Eye Dome“ im Hintergrund zu posieren; ein Foto, das das futuristische Weltverständnis von Fuller trefflich symbolisiert und Jahre später den Künstler Steven Brower zu einem Diorama anregte, das in retrofuturistischer Sicht eine Siedlung aus Fly’s Eye Domes mit davor geparkten Dymaxion Cars zeigt.
Weitere Infos:
Dymaxion Car #2
Projekt eines 3-D-Modells mit vielen Hintergrundinfos