Albrecht Graf Goertz

albrecht_graf_goertz.jpgAlbrecht Graf Goertz – Autokenner denken bei diesem Namen sofort an den BMW 507, jenen unvergleichlich elegant gezeichneten Sportwagen von 1955, der den Durchbruch markierte für den am 27. Oktober 2006 verstorbenen Designer. Doch tatsächlich hat Albrecht Graf von Schlitz gen. von Goertz, wie er mit vollem Namen hieß, seine Handschrift in vielen Produkten des täglichen Lebens hinterlassen, auch wenn seine große Leidenschaft stets dem Automobil galt. Geboren wurde Albrecht Graf Goertz als zweiter Sohn eines alten deutschen Adelsgeschlechts am 12. Januar 1914 im niedersächsischen Brunkensen; auf dem dortigen Familiengut erlebte er zusammen mit seinen zwei Geschwistern eine behütete Kindheit. Schon als Sechsjähriger entflammte seine Autobegeisterung und er begann, diese zu zeichnen – einige dieser frühen „Entwürfe“, die bereits großes Talent verraten, sind heute noch erhalten. Allerdings war dies nicht die Karriere, die seine Eltern für ihn angestrebt hatten, und so begann er, nachdem er als 18-Jähriger die Schule kurz vor dem Abitur abgebrochen hatte, zunächst eine Lehre bei der Deutschen Bank in Frankfurt, die er später in London bei der Privatbank Helbert Wagg & Company fortsetzte.


goertz_paragon.jpg
Auf der Basis eines Ford Mercury entstand 1939 der interessante „Paragon“.

So richtig wohl fühlte sich Goertz aber nicht im trockenen Bankgeschäft, und 1935 beschloss er, nicht nur diesem, sondern auch Deutschland für immer den Rücken zu kehren. Mit zu diesem Entschluss mag beigetragen haben, dass er als Sohn einer Jüdin im Nazi-Deutschland wenig Perspektiven für sich sah. Er emigrierte in die USA und begeisterte sich in New York zunächst für das damals sehr beliebte, „Choppen“ genannte spektakuläre Auftunen von alten Ford-Modellen. Sein erster eigener Entwurf, der extravagante „Paragon“, ein Coupé mit verkleideten Hinterrädern und interessant nach hinten abfallender Fensterlinie, schafft es 1939 immerhin auf die Weltausstellung in San Francisco – und verschafft ihm Jahre später nach absolviertem Militärdienst eine folgenreiche Bekanntschaft: Als er seinen Paragon einmal auf einem Hotelparkplatz abstellt, bewundert er, wie es so Autonarrenart ist, den dahinter abgestellten, ebenfalls zum Designerstück umgebauten Lincoln Continental, und befindet sich bald in angeregtem Gespräch mit dessen Besitzer, der kein Geringerer als Raymond Loewy war, damals schon ein Stardesigner. Dieser erkennt das Talent des jungen Mannes und verhilft ihm zu einem Studium am Pratt Institute in Brooklyn, anschließend arbeitet Goertz als Junior Designer in Loewys Studebaker-Entwicklungsabteilung.

Doch schon zweieinhalb Jahre später kommt es zum Zerwürfnis zwischen Goertz und Loewy. „Aus Ihnen wird nie ein richtiger Designer“, meint Loewy ungnädig. „Schauen Sie, dass Sie eine reiche Frau heiraten.“ Doch stattdessen eröffnet Goertz nach weiteren Anstellungen 1953 sein eigenes Designbüro, dass er „Goertz Industrial Design Inc., New York“ nennt. Seine Heimat hat Goertz nicht vergessen, und einer ersten großen Kunden des neuen Designstudios ist die Firma Hohner, für die er Akkordeons und Mundharmonikas für den US-Markt gestaltet. Interessanterweise sollte Goertz viele Jahre später seine Designerkarriere ebenfalls mit einem Musikinstrument beenden, seine letzte Auftragsarbeit war ein Flügel für Steinway.

bmw_503.jpg Aber weiterhin blieben Autos die große Liebe von Goertz. Auf einer Automobilausstellung lernte er Max Hoffmann kennen, seinerzeit der wichtigste amerikanische Importeur für Luxusfahrzeuge aus Übersee. Sein Einfluss war so groß, dass deutsche Automobilfirmen ihn schon bei der Entwicklung neuer Modelle nach seiner Meinung fragten, und so begutachtete er auch ein neues Sportwagenprojekt von BMW, die dem „Flügeltürer“ Mercedes-Benz 300 SL etwas Adäquates entgegensetzen wollten. Doch die Entwürfe gefielen Hoffmann nicht, und er bat Goertz um Rat und Verbesserung. Dieser fertigt Skizzen an, die bei den Münchnern auf Gefallen stoßen, und im Januar 1955 unterzeichnet Goertz die Entwicklungsverträge für die Sportwagen BMW 503 und BMW 507.

BMW 507
Goertz‘ Meisterstück: der BMW 507.

Die hektischen Entwicklungsarbeiten – nur ein knappes Jahr war Zeit bis zur Automobilausstellung in Frankfurt – verliefen keineswegs harmonisch, bis zuletzt lehnten Teile des BMW-Managements die neuen Entwürfe ab. Während der 503 noch größere Zustimmung fand, störte man sich beim 507 vor allem daran, dass Goertz der typischen „BMW-Niere“ keinen Platz eingeräumt hatte, sondern diese nur durch die geteilte Form des Kühlers „liegend“ angedeutet hatte. Für Goertz war das zu viel Stress, und noch vor der Ausstellung entschwand er wieder nach New York. Dort erreichte ihn dann ein Telegramm von BMW-Vorstand Hans Grewenig: „Der 507 ist der Star der Ausstellung! Gratulation!“ Und obgleich der edle Roadster aufgrund seines hohen Preises in den Folgejahren nicht die erhofften Stückzahlen brachte, überschlug sich die Fachpresse vor Begeisterung, Goertz war der neue Star am Designerhimmel und sein Name wurde gleichzeitig mit Größen wie Bertone, Pinin Farina oder eben auch Raymond Loewy genannt.

datsun_silvia.jpg
Neben dem berühmten 240Z ein wenig vergessen: der Datsun Silvia.

Folgeaufträge waren nun kein Problem. Aus allen Branchen riss man sich um den Designer Goertz, der entsprechend schnell seinen Blickwinkel vergrößerte: „Wenn ich jemand mit einem Auto emotional ansprechen kann, gelingt mir das auch mit einem anderen Produkt“. Und so schuf er Fotoapparate für Agfa, Bügeleisen für Rowenta, eine Tischuhr für Kienzle, die berühmte Polaroid Sofortbildkamera, Radios und Fernsehgeräte für SABA, und – ebenfalls längst ein Designklassiker – eine neue Form für den Füllfederhalter Mont Blanc Meisterstück. Bald verschlug es den umtriebigen Goertz auch nach Japan, wo er nicht nur für Fuji Filmkameras entwirft, sondern bald auch wieder Anschluss an die Automobilbranche findet: Für Nissan entsteht neben dem Datsun Silvia der Datsun 240Z, der schnell zum meistverkauften Sportwagen der Welt avancieren sollte und längst auch ein Klassiker ist.

1989, im Alter von 75 Jahren, kehrt Goertz schließlich in seine alte Heimat zurück, auf das Gut in Brunkensen. Und weiterhin kennt seine Kreativität keine Grenzen. Als Berater ist er für verschiedene Firmen tätig, und als Referent lehrt er an Universitäten. 1996 gründet er die Albrecht-Graf-Goertz-Stiftung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, junge Designer zu fördern. Am 29. Februar 2000 bekommt er das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Weitere Infos:
Stuttgarter Zeitung
Wikipedia