Monowheels - einrädrige Autos

Es ist eigentlich nur ein konsequenter Schritt vom zweirädrigen zum einrädrigen Auto, obgleich hier direkt angemerkt werden muss, dass ein solches Gefährt natürlich technisch dem Motorrad näher steht. Tatsächlich haben aber einige dieser skurrilen Gefährte, wie wir sehen werden, viele Wesensmerkmale des Autos geerbt, etwa Sitzposition, Art des Fahrersitzes und Lenkrad.

Das Harperwheel
Das Harperwheel auf einer zeitgenössischen Zeichnung.

Tatsächlich hatten die ersten Monowheels noch nicht mal einen Motor und sind daher eher den Fahrrädern zuzurechnen - was daran liegt, dass derlei Einräder bereits vor der Erfindung des Automobils ersonnen wurden. Einer der ersten Entwürfe (um 1870) geht zurück auf den Handwerker Rousseau aus Marseille und ist heute noch im Fahrradmuseum Fermo Galbiati in Mailand, Italien, zu bestaunen.

Etwa zeitgleich stellte der Amerikaner Lewis H. Harper in Minnesota einen ganz ähnlichen Entwurf vor, mit dem er 30 Meilen die Stunde erreicht haben soll. War er davor in Marseille gewesen? Jedenfalls zeigten beide Räder einen sehr ähnlichen Aufbau und legten gleichzeitig das Grundprinzip des Monowheels fest: Der Fahrer sitzt innerhalb des Rades, Fahrersitz und Antrieb sind mittels Rollen ähnlich eines Kugellagers so angebracht, dass sie sich nicht mitdrehen.

Garavaglia-Entwurf von 1904
Suspekt: Garavaglia-Entwurf von 1904.

Bis zur Motorisierung des Monowheels sollte es noch einige Zeit dauern, zwischenzeitlich gab es auch einmal einen mutigen Entwurf eines von einem Pferd gezogenen Monowheels, bei dem man aber annehmen darf, dass der Kutscher schnell in verzweifelter Schleiflage „brrrr!“ rufen musste. Eine erste Version mit Motor ist wiederum aus Mailand überliefert, leider nur in Form einer 1904 veröffentlichten Zeichnung, die doch einige Zweifel an der Alltagstauglichkeit des Entwurfs aufkommen lässt, auch wenn Sitzposition des Fahrers und das Lenkrad nunmehr eher an ein Auto denken lassen. Aber wie funktionierte die Lenkung? War sie mit dem geheimnisvollen, links herausragenden Stützrad verbunden? Man weiß es nicht mehr.

Das Monowheel von Davide Cislaghi, 1923
Das Monowheel von Davide Cislaghi, 1923.

Doch der Gedanke, sich elegant und ökonomisch auf nur einem Rad vorwärtszubewegen, ließ Erfinder und Tüftler zu keinem Zeitpunkt los. Im Juni 1923 war es der britische Wachtmeister Davide Cislaghi, der - für die Verbrecherjagd? - ein weiteres Derivat der Monowheels ersann. Stolz wie ein Pfau, so wurde berichtet, absolvierte er Dutzende von Testkilometern in dem nur 1,45 Meter hohen Rad, welches sogar über Bremsen verfügte. Wobei die Art der Bremsung, zwei kleine Bremsräder wurden rechts und links vom eigentlichen Rad auf die Straße gelassen, schon ein Fortschritt gegenüber ersten Versionen war, bei denen das große Rad von innen gebremst wurde, was zu unfreiwilligen Saltos des Fahrers führte. Das Lenkrad war allerdings nur zum Festhalten da, gesteuert wurde per Gewichtsverlagerung, was aber erstaunlich gut geklappt haben soll.

Monowheel von Christie
„Popular Science“ mit dem Monowheel von Christie, 1923.

Zumindest wirkte Cislaghis Entwurf richtig bescheiden gegen die Monorad-Omnipotenz-Phantasien des Professors E. J. Christie of Marion, Ohio, hier ins Bild gesetzt vom „Fachblatt“ „Popular Science“. Sein gigantomanischer Entwurf, der freilich nie gebaut wurde, sollte einen Durchmesser von 14 Fuß (4,3 m) haben, wobei schon die beiden seitlichen „Gyroräder“, die das Ganze stabilisieren sollten, je 227 Kilogramm wiegen sollten. Angetrieben von einem 250 PS starken Flugzeugmotor, sollte das raketenschnelle Ungetüm nach den Vorstellungen des Erfinders „a speed of at least 250 miles per hour, and possibly 400 miles per hour“ erreichen. Man wagt kaum, diese Vorstellungen in Stundenkilometer umzurechnen: 400 km/h, wenn nicht sogar 640 km/h. Da wundert es nicht, dass ein anderes der damals sehr beliebten Science-Magazine das Christie-Wheel mit der Schlagzeile „A new terror on the road“ vorstellte.

Dynosphere von Dr. John Purvis
Der Erfinder mit seinem Dynosphere am Strand bei Lenkversuchen.

Ein ähnlich beeindruckendes Monster mit ebenfalls 14 Fuß Durchmesser, welches 1932 auch tatsächlich realisiert und am Strand von Weston-super-Mare Probe gefahren wurde, war das Dynosphere des Engländers Dr. John Purvis. Die beeindruckende Gitterrohrkonstruktion des Rades sollte einen Ventilatoreffekt bewirken, also Durchsichtigkeit bei höheren Geschwindigkeiten, in der Praxis soll die Geradeaus-Sicht aber wenig überzeugend gewesen sein. Leider griff bei höheren Geschwindigkeiten auch der so genannte Gerbilling-Effekt, den man sich als äußerst schnelles Mitrotieren des Fahrers mit dem Rad vorstellen darf. Eine weitere Schwäche war auch hier die Lenkung durch Gewichtsverlagerung, von deren Mühsal das Foto eindrucksvoll kündet. Da tröstet es kaum, dass das Dynosphere bereits über einen sehr umweltfreundlichen Elektroantrieb und ein gegen Regen schützendes Innendach verfügte.

Monowheel-Panzer-Projekt
Neue Wunderwaffe 1933: Das Monowheel-Panzer-Projekt.

Wo Verrückte Ideen aushecken, ist das Militär meistens nicht weit. Und tatsächlich gab es 1933 zumindest einen in New York patentierten Entwurf für einen Monowheel-Panzer, welcher voller „kluger“ Ideen steckte. So sollte das gepanzerte Einrad mittels seitlich angebrachter „Krücken“ einfach über Schützengräben spazieren können, und die seitlichen Stütz- und Lenkräder sollten nach oben geklappt auch als stabilisierende Schwimmkörper dienen. Ja, Schwimmkörper: Denn seetauglich sollte diese Wunderwaffe auch sein. Natürlich ging es nie über den - freilich schön gezeichneten - Entwurf hinaus. Rechts unten auf der Zeichnung sieht man übrigens das tatsächlich realisierte „Motoruota“, eine italienische Weiterentwicklung des Cislaghi-Modells.

Monocycle von Kerry McLean
Kerry McLean und sein Monocycle.

Und heute? Als ernsthafte Alternative zum Auto oder Motorrad ist die Idee des Monowheels natürlich längst zu Grabe getragen worden, dennoch gibt es immer noch Tüftler, die dergleichen bauen, wenn auch nur als spaßiges und für die Straße natürlich nicht zugelassenes Freizeitvehikel. Wer eines haben möchte, kann beispielsweise Kerry McLean unter 248/ 624-8274 in Michigan anrufen.

BRP Embrio ConceptUpdate, 30.07.06: Das bislang innovativste Projekt dürfte das BRP Embrio Concept der Firma Bombardier Produits sein: Gedacht als Freizeitvehikel für die Zielgruppe der 18- bis 45-Jährigen, soll das Monorad mit Wasserstoff angetrieben werden, wobei eine Brennstoffzelle als Motor dient. Die vorderen Stützräder fahren automatisch ein, sobald das Gefährt 20 km/h überschreitet, und unterhalb dieser Geschwindigkeit automatisch wieder aus. Ein elektronisch gesteuertes Gyroskop hält das Wheel im Gleichgewicht; gesteuert wird einmal mehr via Verlagerung des Gewichts in die gewünschte Richtung. Ob das mit dem Gold Award 2003 des Industrial Design Society of America & Business Week Magazine ausgezeichnete Gefährt jemals gebaut werden wird, steht allerdings in den Sternen.

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